Industrie 4.0 Apps – 10 Goldene Regeln
Was damals die Dampfmaschine war, ist heute Industrie 4.0: Laut einer aktuellen Accenture-Studie ist die Vernetzung von Mitarbeitern in der Fertigung bei ganzen 94 Prozent der befragten Industrieausrüster und Autohersteller sowie -zulieferer bereits fester Bestandteil der Geschäftsstrategie. Doch was genau bedeutet die digitale Revolution am Fließband und was muss beachtet werden, damit sie auch wirklich zur unternehmerischen Revolution und nicht zum kostenfressenden Rohrkrepierer wird. Also quasi 10 Goldene Regeln, mit denen die Vernetzung von Mensch, Maschine und Wissen zum Vorteil für Produktionskette, Unternehmen und Mitarbeiter wird.
Regel 1: Machen Sie sich mit der Zukunft der Produktion vertraut
Die erste Regel ist so einfach wie allgemeingültig: Sich für die Zukunft öffnen heißt nicht nur, Apps oder App-Systeme einzuführen, sondern sich kontinuierlich mit Zukunftsthemen, State-of-the-Art-Technologien und allgemeinen IT-Trends auseinanderzusetzen. Nur wer sein eigenes Unternehmen und seine Produkte auch im digitalen Wettbewerb verorten kann, wird sich langfristig weiterentwickeln und nicht aufhören, bestehende Systeme zu hinterfragen. Haben Sie einen Innovationsmanager an Bord? Berät Sie jemand zur industriellen Zukunft, zu neuen Geschäftsmodellen und zum mobilen Produktionsalltag von Morgen? Wissen Sie, ob Sie bereits alle Möglichkeiten des Mobile Facturing ausgelotet haben oder gibt es vielleicht Maßnahmen, die Sie noch gar nicht kennen?
Regel 2: Betrachten Sie stets das industrielle Big Picture
In naher Zukunft wird alles vernetzt sein, auch und vor allem innerhalb der industriellen Produktion. Das Internet of Everything lässt grüßen! Klar, dass damit auch Ihre Produktionsprozesse samt Auftragsmanagement und Logistik zu einem digitalen Gesamtkunstwerk verschmelzen – und das unabhängig von einzelnen Fertigungsstätten oder Logistik-Strecken. Also sollten Sie beispielweise bei der Einführung einer App in der Auftragsannahme bereits die gesamte Produktionskette und auch die Lieferung im Blick haben. Ebenso mögliche Folgeaufträge sowie etwaige Produkt- und Serviceoptimierungen für Ihre Kunden. Und gegebenenfalls kann auf dem Weg zur IoT-basierten Kreislaufwirtschaft auch das Recycling Ihres Produktes direkt mit der Produktion vernetzt werden. Keiner kennt die Zusammenhänge Ihres Business so gut wie Sie, also unterstützen Sie die Vernetzung aktiv, beispielsweise durch das Entwerfen potenzieller ganzheitlicher Szenarien. Führen Sie bereichsübergreifende Tests durch und kümmern Sie sich um ein standardisiertes, digitales Qualitätsmanagement entlang des gesamten Lebenszyklus.
Regel 3: Bauen Sie keine Luftschlösser in Ihren Hallen
Apps, Smart Devices, intelligente Sensoren, Mitarbeiter am Tablet, 3D Druck und kommunizierende Maschinen – die Visionen unserer digitalen Zukunft sind ohne Frage ebenso faszinierend wie reizvoll. Und am liebsten möchte man in bester Jeannie-Manier einfach Schnipp machen und vom analogen Unternehmen zum Digital Enterprise werden. Ambitionierte Pläne sind schön und gut, trotzdem erfordern digitale Maßnahmen eine durchdachte und langfristig tragfähige mobile Strategie. Neben der Frage nach dem Budget geht es dabei auch um Aspekte wie das Maß an Veränderung, das Ihren Mitarbeitern zuzumuten ist oder die Unterscheidung zwischen dem, was unmittelbar notwendig für die Wettbewerbsfähigkeit ist und dem, was eher dem Image-Gewinn dient. Was benötigen Sie wann und welche Zeit haben Sie, um den digitalen Wandel zu vollziehen. Was muss im Vorfeld bedacht werden? Welche IT-Infrastruktur ist bereits vorhanden und welches Interface benötige ich, um meine IT-Systeme optimal miteinander zu koppeln? Last but not least: Was macht für mein Unternehmen trotz des ganzen Hypes keinen Sinn?
Regel 4: Denken Sie über die maschinelle Effizienz hinaus
Auch hier geht es wieder um das Big Picture. Keine Frage, in Sachen industrielle App-Einbindung richtet sich der Blick schnell auf die Themen maßgeschneiderte Produkte, erweiterte Kundenservices und Effizienzsteigerung innerhalb der Produktion, sprich: niedrigere Ausfallzeiten, geringerer Wartungsaufwand, niedrigere Fehlerquote, Verkürzung der Time-to-Market und Senkung der Gesamtbetriebskosten. Doch es geht auch darum, ein breiteres Spektrum von Mitarbeitern in Aufgaben einzubinden, eine bessere Erreichbarkeit und Flexibilität zu ermöglichen und ein sichereres und womöglich komfortableres Arbeitsumfeld zu schaffen. Und ja, es ist natürlich auch erlaubt, die mobilen Maßnahmen dazu zu nutzen, Ihr Unternehmen bei Mitarbeitern und Kunden als modernes, digitales Unternehmen zu präsentieren.
Regel 5: Holen Sie Ihre Mitarbeiter entlang der gesamten Kette ins Boot
Das Zeitalter der Smartphones und Tablets hat heute wohl alle Generationen erreicht. Trotzdem sollte bei der Einführung einer App berücksichtigt werden, dass nicht jeder Mitarbeiter auch mit den neuen Tools arbeiten kann beziehungsweise möchte. Gerade innerhalb des Produktionsprozesses gehört manuelles Arbeiten seit jeher dazu, ebenso beispielsweise bei der Kommissionierung von Waren im Lager. Maschinen und auch Roboter sind mittlerweile zwar ein gewohnter Anblick, aber Klemmbrett, Handkommissioniergerät und Co. durch ein Tablet, iPad oder durch Wearables zu ersetzen und damit Maschinen oder ganze Fabrikhallen per Knopfdruck oder Touchpad zu steuern, gehört nach wie vor nicht zur Grundausbildung. Zumal nicht jeder Mitarbeiter frisch aus derselben kommt! Hier ist Feingefühl, Transparenz und jede Menge Information gefragt – vielleicht trotz App-Launch in Form eines Print-Booklets. Oder wie wäre es mit einer Art Quiz-App rund um die neue Arbeitsweise, um Ihre Mitarbeiter an den Umgang mit mobilen Anwendungen zu gewöhnen? Auch persönliche Einzelcoachings am Arbeitsplatz können die Akzeptanz erhöhen.
Regel 6: Berücksichtigen Sie die Arbeitsbedingungen in Büro, Fabrik oder LKW
Neben den bloßen Bedenken der Mitarbeiter gibt es auch arbeitsplatzbedingte Faktoren, die bei der Einführung einer mobilen Strategie samt (ent)sprechender Geräte beachtet werden sollten – zum Beispiel Schmutz, Hitze oder Lärm. Mitarbeiter, die tagtäglich in einem bestimmten Bereich arbeiten, möchten ihren Arbeitsplatz und ihre damit häufig verbundenen Probleme und Risiken verstanden wissen. Achten Sie daher umso mehr auf eine gute Usability und eine einheitliche Handhabung der Apps und Devices. Das bewirkt ein positives Bedienerlebnis bei den Mitarbeitern und fördert zudem den Austausch unter den Mitarbeitern – vielleicht sogar bereichs- und standortübergreifend. Und noch eine Idee: Wenn Sie eine auf den Produktionsprozess bezogene mobile Anwendung einführen, überprüfen Sie doch gleich einmal, welche digitalen Freuden Sie Ihren Mitarbeitern zusätzlich in Sachen Komfort, Pausengestaltung oder Arbeitsschutz machen können. Das schafft direkt eine positive Assoziation mit der Mobilisierung des Arbeitsplatzes und unterstreicht, dass Sie Ihre Mitarbeiter nicht ersetzen, sondern unterstützen wollen.
Regel 7: Nehmen Sie sich Zeit für das Thema „User Interface“
Das erste und häufig auch das Einzige, das Ihre Mitarbeiter an ihrem „smarten“ Arbeitsplatz beziehungsweise Kunden beim Kontakt mit Ihrem Unternehmen wahrnehmen, ist die Benutzeroberfläche der App auf dem Gerät, das sie in Händen halten. Bei der Einführung von internen Industrie-Apps basieren die Akzeptanz und damit der Erfolg der Nutzung also auch auf der Optik und der damit verbundenen Usability. Gleiches gilt für Kunden, die in Sachen Apps heute extrem verwöhnt sind. Auch hier spielt die Benutzeroberfläche eine wichtige Rolle. Stellen Sie sich also Fragen wie: Wie tickt meine Zielgruppe, welche Sehgewohnheiten hat sie und welche Farben, Bilder oder Anordnungen sagen ihnen besonders zu beziehungsweise rufen psychologisch einen bestimmten Effekt hervor? Geht es nur um die Funktionalität der App oder ist auch ein spielerischer Charakter denkbar. Wird die App nur intern genutzt oder kommen auch Kunden oder Partner in Berührung mit ihr? Vielleicht kann eine Umfrage helfen, die Akzeptanz der App bereits im Vorfeld zu sichern. Oder warum nicht mal weg von den modernen Oberflächen und hin zu einer eher traditionellen Optik, die Ihren Mitarbeitern und Kunden im digitalen Trubel ein wenig Halt gibt und den Übergang zum Mobile Factoring erleichtert.
Regel 8: Garantieren Sie die Sicherheit Ihrer Apps
Daten gelten als der neue Rohstoff des 21. Jahrhunderts. Und Rohstoffe müssen bekanntlich geschützt werden! Folglich sollten Themen wie Datenklau, Industriespionage und Cyberkriminalität ganz oben auf Ihrer Digitalisierungsagenda stehen. Langfristig wettbewerbsfähig bleiben nur die Unternehmen, die ihre Produkte und Prozesse datenschutzkonform gestalten und ihre IT-Sicherheit stets dem aktuellen Stand anpassen. Dabei geht es nicht nur um gesetzliche Anforderungen und mögliche Schäden, sondern auch um das sichere Gefühl, dass sie Ihren Kunden und Mitarbeitern damit geben. Ein Enterprise App-Store kann hier die richtige Plattform beziehungsweise eine geschützte Umgebung zum Download der Apps sein. Im Fall von Apps, die ausschließlich von Mitarbeitern genutzt werden, stehen zudem Aspekte wie Lizensierung und Autorisierung im Mittelpunkt. Und wenn die App auf privaten Geräten installiert wird, muss sie logischer Weise wieder entfernt werden, sobald ein Mitarbeiter das Unternehmen verlässt. Sicherheitslücken in Apps lassen sich von vornherein vermeiden, wenn sie professionell entwickelt werden. Wenn Sie sich trotzdem nicht sicher sind, ob Sie alle Sicherheitskriterien erfüllen, gibt es Tools für die Sicherheitsüberprüfung von Apps wie „App-Ray“ des Fraunhofer AISEC oder „Check your App“ des TÜV Rheinland.
Regel 9: Lernen Sie von den industriellen Erfolgsgeschichten der anderen
Immer nur zu gucken, was andere machen und den Big Playern der Branche hinterherzuhecheln ist natürlich keine Lösung. Trotzdem macht es Sinn, sich verschiedenste Case Studies anzusehen, sich auf Business-Events zur Einführung von mobilen Strategien auszutauschen und einschlägige Ratgeber zu lesen. Wir von mobivention haben beispielweise für die IHK München und Oberbayern einen „Leitfaden Industrie 4.0“ als Website umgesetzt. Hier erhalten mittelständische Industrieunternehmen neben Tipps und Informationen auch Einblick in verschiedene Erfolgsgeschichten zum Thema. Vielleicht erkennen Sie ja Anknüpfungspunkte oder auch Dinge, die Sie ganz bewusst anders machen würden. Die Herausforderungen, Ausgangssituationen und Erfahrungswerte sind oft ähnlich, die entsprechenden Anwendungen bleiben trotzdem individuell. Übrigens bietet der IHK-Leitfaden auch einen Selbstcheck „Wie digital ist Ihr Unternehmen“. Auch hier ergeben sich sicher noch einige Aha-Effekte.
Regel 10: Behalten Sie auch in der „Smart Factory“ den Menschen im Mittelpunkt
In einer Umgebung, die geprägt ist von künstlicher Intelligenz, Sensoren und Augmented Reality gerät der Mensch leicht aus dem Sichtfeld. Dabei ist und bleibt er als Kunde, aber auch als Mitarbeiter fester Bestandteil des Unternehmenserfolgs und damit unersetzlich – als Problemlöser, Erfahrungsträger, Ideenentwickler, Entscheider, Käufer, Nutzer und Kritiker. Konsumenten und Produzenten wachsen durch die Vernetzung sogar noch enger zusammen und die Produkte und Services richten sich mehr denn je nach den individuellen Bedürfnissen der Kunden. In Sachen Mitarbeiter geht es vor allem um digitale Assistenz, also um Unterstützung, nicht um Ersetzen. Keine Frage, die Berufsbilder ändern sich, IT-Kompetenz und der Umgang mit digitalen Daten wird für viele industrielle Aufgaben zum Muss. Themen wie der Einsatz mobiler Endgeräte, die Vernetzung von Fertigungsstätten oder die Integration von Anlagen in ERP-Systeme rücken in den Fokus. Weiterbildung lautet also das Zauberwort. Noch ein Tipp: Ihre Mitarbeiter leben und erleben die digitale Veränderung anders, wenn Sie sie ihnen persönlich vorstellen und mit ihnen zusammen gestalten. Vielleicht sogar im Rahmen eines gemeinsamen Workshops oder eines Ausflugs in eine Zukunftsschmiede?